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WZ: 12.11.1997
Das Burgfest nur noch als Erinnerung?
Vorstand des Burgfestvereins schlägt Alarm: Mithelfer und
-organisatoren
dringend gesucht, sonst droht das Aus
Friedberg (ütz). Der Burgfestverein schlägt Alarm: Der Fortbestand
des traditionsreichen Musikfestivals in
der Burg ist in Gefahr. Wenn sich nicht sowohl in finanzieller, vor
allem aber auch personeller Hinsicht etwas
ändert, müsse das Burgfest bereits im kommenden Jahr abgesagt
werden, berichtet Stadtjugendpfleger Jürgen
Umsonst im Auftrag des Vereinsvorstands.
Auch die Burgfestmacher bekommen die heute allgemein festzustellende
sinkende Breitschaft zu
ehrenamtlichem Engagement zu spüren, führen dies aber auch auf das
Fehlen eines Jugendzentrums zurück:
Das Festival lebe seit seiner Entstehung im Jahr 1976 im
wesentlichen von der freiwilligen und
ehrenamtlichen Mitarbeit zahlreicher Jugendlicher und junger
Erwachsener. Diese Basis als entscheidender
Faktor des Erfolges sei in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen
der Schließung des Jugendzentrums
»deutlich brüchiger geworden«, und wenn das Burgfest
weiterexistieren solle, müsse sich an diesem Punkt
Entscheidendes ändern, so der Vorstand.
Und: »Jugendliche und junge Erwachsene müssen für eine Mitarbeit neu
gewonnen werden und mittel- und
langfristig Verantwortung übernehmen.« Früher habe sich der
personelle Wechsel »mehr oder weniger als
natürlicher Prozeß im Jugendzentrum vollzogen«; das Burgfest sei
also dort gemacht worden, »wo sich die
Leute aufhielten, für die und mit denen es gemacht wurde«. Es sei
nicht sozusagen unter Ausschluß der
Öffentlichkeit geplant worden, vielmehr sei die Burgfest
-Organisation sichtbarer Bestandteil des Lebens im
Juz gewesen, habe als Veranstaltungshöhepunkt des Jahres jede Menge
Gesprächsstoff geboten und sei
mithin »für alle einsehbar, spürbar und mitmachbar« gewesen.
Heute sehe dies anders aus: Die Organisatoren träfen sich in den
eher abgelegenen Arbeitsräumen des
Stadtjugendrings in ungewünschter Entfernung zu den heutigen
Treffpunkten der Jugendlichen. Und diese
ungewollte Distanz sei gleichzeitig Ausdruck des Problems: »Die
einstmals selbstverständliche Einbettung
des Projektes Burgfest in das Geschehen der örtlichen und regionalen
Jugendszene, die Nähe zu den
Lebenszusammenhängen Jugendlicher besteht nur noch in
eingeschränktem Maße«, so der Vorstand des
BurgfestVereins.
Heute müsse der Nachwuchs geworben und umworben werden. Dabei
stellen sich die Organisatoren
durchaus selbstkritisch die Frage, ob sie dies zu sehr
vernachlässigt haben »und ob es dafür nicht bereits zu
spät ist«. Denn für die Einarbeitung neuer Kräfte von der ersten
Mitarbeit bis zu selbständiger Mitwirkung
und der Übernahme von Verantwortung vergingen oft Jahre. Die
Komplexität der Burgfestorganisation stelle
Neueinsteiger zunächst vor das Problem, sich einen Überblick zu
verschaffen und eine zufriedenstellende
Tätigkeit zu übernehmen. Erschwert werde dieser Prozeß durch die
Belastung der Hauptverantwortlichen
durch Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf. Dennoch hofft der
Vereinsvorstand, daß neue Kräfte
gewonnen werden können, und er appelliert an Jugendliche, sich zu
beteiligen. Neueinsteiger sollten natürlich
nicht überfordert werden. Vielmehr gehe es darum, wieder eine
breitere Basis zu gewinnen und für neue und
alte Organisatoren eine Situation herzustellen, »die für alle
motivierend wirkt, die Kreativität erlaubt,
Lernprozesse ermöglicht und auch Spaß macht«. Dies könne gelingen,
»wenn sich alle, denen etwas am
Bestand des Burgfestes gelegen ist, zusammentun und aktiv werden«.
Geschehe dies freilich nicht, würden
die verbliebenen Aktiven der Projektgruppe und des Vorstandes - so
das Ergebnis der letzten Treffen - ihre
Arbeit nicht mehr weiterführen können und wollen: »Das Burgfest als
eine der ältesten selbstorganisierten
unkommerziellen Jugendkulturveranstaltungen weit und breit wird dann
nur noch in den Erinnerungen
weiterleben.«
Der Vorstand des Burgfestvereins ruft deshalb alle, die sich für den
Weiterbestand des Festivals einsetzen
möchten, zur Mitarbeit auf. Die vorerst letzte Gelegenheit dazu
bietet sich bei einem Treffen am kommenden
Dienstag, dem 18. November, 19 Uhr, im Büro des Stadtjugendrings im
Gärtnerweg 1 in Friedberg.
WZ: 21.7.1997
Abtanzen unterm Vollmond angesagt
22. Burgfest mit gutem Programm, aber schlechter Besucherresonanz -
Erstmals an zwei Tagen
Friedberg (ax). Ob' s am verdächtigen Wetter lag, ob der Termin
vielleicht nicht so ganz das Wahre war-
schließlich fand am letzten Wochenende vor den Sommerferien fast
überall ein Konzert oder eine Fete statt-
oder ob es an der geänderten Konzeption lag: Die 22. Auflage des
Friedberger Burgfestes am vergangenen
Wochenende war vom Besuch her sicher nicht der Hit. Wenn's hoch
kommt, werden es so um die 2000
Leute gewesen sein, die Lust auf die Riesenfete hatten, und die
verloren sich manchmal im weitläufigen
Gelände. Der Burgfestverein kann damit nicht zufrieden sein, und so
dürfte jetzt die Ursachenforschung für
die enttäuschende Resonanz beginnen. Was am Ende finanziell
herauskommt, wird sich noch zeigen müssen,
aber nach Lage der Dinge können die Burgfestmacher schon froh sein,
wenn die Rechnung wenigstens Null
auf Null aufgeht.
Dabei hatte eigentlich alles ziemlich verheißungsvoll angefangen,
denn bei der erstmaligen Pre-Shave-Party
am Freitag abend zählte man immerhin um die 700 Besucher. Bands aus
der Region gehörte dabei die
Naturbühne, und als Opener fungierte »Dog Man Star«. Das ist ja
meist eine undankbare Rolle, doch die
fünf Jungs aus der Wetterau wurden damit fertig. Sie legten einen
Sound hin, der von zahlreichen
Stilrichtungen geprägt ist. Bei vielen anderen Bands stehen diese
Elemente oft verbindunglos nebeneinander,
doch hier gelang es, eine hervorragende Synthese zu finden, die eine
ausgeprägte eigene Handschrift verrät.
Das Ganze klang jedenfalls gut, rhythmisch und melodisch gut
abgestimmt, Rock, der für die nötige
Grundstimmung sorgte.
Danach folgte die Bad Nauheimer Formation »Re-lnvent-Ed«, deren
Musik so was ist wie alternativer
Grunge Rock. Auf jeden Fall tobten die vier Musiker ziemlich heftig
über die Bühne, laut und fetzig und mit
viel Power. Auch hier steckt schon viel an Können drin, und
musikalisch gab's bei beiden Bands nichts
auszusetzen, ganz im Gegenteil, sie agierten schon fast
professionell und überzeugend.
Ravernäßiges Abtanzen
Der dritte Gig dürfte für die meisten der Höhepunkt des Abends
gewesen sein, denn »Pornflakes« erwies
sich als eine Power-Truppe sondergleichen. Kerniger, zupackender und
knalliger Rock, technisch perfektes
Spiel, eine tolle Gesangsleistung und jede Menge Action auf der
Bühne: Wenn die Combo aus der
Mainmetropole so weitermacht, wird man mit Sicherheit noch viel von
ihr hören. Ja, und dann gab's noch
zum Schluß eine schöne Skatepunk Session. Die »Killrays« aus der
Mainmetropole ließen keinen
wummernden Baßton aus. Ravemäßiges Abtanzen bis zur Erschöpfung hieß
dabei die Devise.
Der Auftakt am Freitag war also eine runde Sache, bevor am Tag
darauf die Riesenfete steigen sollte. Zwar
hatte es noch am Mittag geregnet, doch dann wurde das Wetter immer
besser, dunkle Wolken zogen
wohlweislich vorbei und, man glaubt's kaum, machten der Sonne Platz.
Ideales Wetter fürs Fest also.
Mancher vennißte zwar das gewohnte bunt-alternative Ambiente im
Burgareal, doch auch im Garten waren
Stände zu entdecken, wenn auch nicht so viele wie gewohnt. Lebendes
Inventar tauchte auch wieder auf, denn
was wäre die Fete ohne Terry Keegan, der wie eh und je seine
Trommel-Mission ausdauernd erfüllte. Gut
war' s auch, wenn man nicht gerade Tanja der Ungebührlichen in die
Hände fiel, denn die trieb auf ihren
Stelzenjonglierenderweise meist recht drastischen Unfug. Kinder
hatten es da besser, denn sie waren beim
MOBS gut aufgehoben, Theateraufführung inclusive.
Acht Bands auf zwei Bühnen
Acht Formationen auf zwei Bühnen: Wer das alles mitkriegen wollte,
mußte vor allem einen ausgeprägten
Wandertrieb besitzen, denn von der Holz- bis zur Naturbühne sind es
doch ein paar Meter. Immerhin war der
zeitliche Ablauf gut abgestimmt, so daß der totale Musikgenuß
möglich war. Den Auftakt auf der Holzbühne
machte »Razzle Dazzle«, langsam fließender und jazziger Groove,
genau das richtige für einen schönen
warmen Sommertag, der es am Samstag doch noch geworden war. Ganz
anders die lockere, hintergründige
und sehr satirische Crew von »Lecker Fischbrät«, absolut chaotisch,
dabei jedoch sehr kreativ, musikalisch
und auch textmäßig. Rap 'n' roll könnte man ihren Stil nennen,
bizarr und einfach nur stark.
An die Grenzen des schlechten Geschmacks
»Creme 21« ermöglichte danach einen Ausflug an die Grenzen des
schlechten Geschmacks, denn da wurde
so ziemlich alles verhackstückt, was an gediegenem deutschem Kitsch
zu finden ist. Böse, böse, das Ganze,
aber hinreißend. Da mußte danach schon »Brings« kommen, denn nur
direkter, rauher Rock 'n' Roll ist noch
schöner. Das Quintett aus Köln singt in Deutsch von Arbeit,
Arbeitslosigkeit, von Liebe und Träumen, von
allem eben, was das Leben so ausmacht. Mal wütend, mal zärtlich, mal
rauh und manchmal auch sehr zart:
»Brings« ist eine der besten deutschen Rock-Bands, atemberaubend
vital und schlichtweg grandios.
Zweifellos waren sie das Ereignis auf der Holzbühne.
Unten auf der Naturbühne gab »Kick La Luna«, eine Band aus, aber
beileibe nicht nur für Frauen, das
Startzeichen. Afro, Latin, Funk, Soul, englisch, deutsch: Sie haben
unglaublich viel drauf, die vier
Frankfurterinnen, und mittanzen war da Pflicht.
Ganz anders das »Ensemble Mzetamze«, das traditionelle georgische
Lieder präsentierte, eine Musik, die
nicht so den Geschmack des Publikums zu treffen schien. Das war
natürlich bei Bill Evans mit seiner
hochkarätigen Formation Push ganz anders. Als das Highlight des
Burgfests gehandelt, hatte das gespannte
Volk natürlich hohe Erwartungen an den Saxophonisten von Miles
Davies, und diese Erwartungen wurden
auch nicht enttäuscht. Es brauchte seine Zeit, sich in sein
komplexes Klanggewebe hineinzuversetzen, aber
dann merkte man schon, wie hinreißend diese scheinbar rein
intellektuelle Musik ist.
Finale mit Pauken und Trompeten
Zum Finale Blechbläser, Pauken und Trompeten? Irgendwie konnte man
sich das kaum vorstellen, doch das
Burgfest ist halt immer noch für Überraschungen gut. »Mardi Gras
Brass Band« nennt sich die Combo, die
mühelos das Publikum zum Kochen brachte. Mit einer traditionellen
New Orleans Marching-Band hat die
Gruppe nur die klassische Besetzung gemein, der Rest ist eine wahre
Groove-Sensation. Blues und Rock mit
Snaredrum und Sousaphon, Pauken, Trompeten, Posaunen und Saxophon:
Eigentlich unglaublich, doch so
wahnsinnig fetzig, wie man es selten hört. Dieser Sound zwang sogar
ansonsten dem Tanzen nicht
Zugeneigte zu rhythmischer Bewegung, und so einen Kracher hat man
zum Schluß eines Burgfests selten zu
bieten gehabt. Klar, daß das Abtanzen unterm Vollmond noch länger
dauerte, denn auch die Band dachte
nicht ans Aufhören. Irgendwann so kurz vor zwei hatte das Ganze denn
doch eine Ende, alle waren reichlich
durchgeschwitzt, aber glücklich über einen schönen Tag, eine
wunderbare sternenklare Nacht mit Vollmond
und ein nicht ganz so volles, aber trotzdem gelungenes Burgfest.
Impressionen davon haben wir auf der
gegenüberliegenden Bilderseite zusammengestellt.
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